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Erweiterung Neubaugebiet Rhönblick

Rede zum TOP: Grundstücksangelegenheiten Neubaugebiete Rhönblick Bad Salzschlirf - GV 11/2020 (Dr. David Post)

Sehr geehrter Vorsitzender, sehr gehrte Damen und Herren, Herr Bürgermeister,

Sie haben hier eine grundsätzlich lobenswerte Ausarbeitung ins Parlament gebracht. Vorhin haben wir vom Fachmann gehört, dass die grundlegende Planung vom Ende her gemacht werden sollte. Genau das haben wir von der FWL gemacht und es hat uns viele Fragen aufgeworfen.

Wie uns allen bewusst ist, besteht seit geraumer Zeit eine erhöhte Nachfrage nach Bauplätzen. Wie und in welcher Form wir dem nachkommen wollen, steht hinter diesem Tagesordnungspunkt. Ich finde, dahinter steht aber auch das Bedürfnis nach einem lebenswerten intakten Wohnort.

Bereits im ersten Bauabschnitt ihrer Planung fällt auf, dass ein großer Grundstücksteil fehlt, das jetzt nicht oder vielleicht nie erworben wird. Wie ist so etwas kalkuliert?

Ein anderer Blick in Immobilienportale verrät, dass aktuell in ruhigeren Lagen am Lüderberg für 83€, in der Rudolf-Müller-Str. für 99€ und direkt neben dem Bauabschnitt 4 für 60€ pro m² Grundstücke zu bekommen sind. Wer kauft ein aus unserer Sicht wenig attraktives Grundstück an der Landstraße zu einen vermutlich höheren m²-Preis von 100€ oder mehr? Es besteht also die berechtigte Befürchtung, dass diese Grundstücke nicht so wie geplant zu 100% verkauft werden. Sie sehen daran, dass wir nicht mit dem Best-Case-Szenario kalkulieren dürfen. Wir brauchen bitte keine weiteren risikoreichen Spekulations- oder Subventionsobjekte wie beim letzten Neubaugebiet, bei dem am Ende nicht einmal mehr die Finanzierung klar war oder unserem Gewerbegebiet, bei dem die angepriesenen Investoren doch nicht mehr da sind.

Dies sind aber nicht die alleinigen Dinge, die die FWL bewegen.

Für uns drängen sich drei grundlegende Zukunft zu gewandte Themen auf:

1. Flächenversiegelung

Spielt dass denn eine Rolle für uns auf dem Dorf? Ja, kann ich Ihnen sagen. Mehr als die Hälfte bei uns ist Wald, die Siedlungsfläche ist aber mit ca. 15% im Verhältnis größer als z.B. in Lauterbach oder in Hünfeld. Als Gedankenspiel: Bei der momentanen Geschwindigkeit der Versiegelung von Flächen durch Siedlungen in Bad Salzschlirf würden wir in rund 55 Jahren kein Grünland und in rund 130 Jahren keinerlei landwirtschaftliche Fläche in der Gemarkung Bad Salzschlirf zur Verfügung haben. Wir müssen uns also die Frage stellen: Was ist denn unser langfristiges Ziel und wie weit bauen wir? Bis 4.000 Einwohnern oder 20% Siedlungsfläche? Oder wollen wir die vorgestellten 4 Bauabschnitte auf jeweils 10 Jahre pro Abschnitt begrenzen?

Antworten Sie jetzt aber bitte nicht mit: „Im Moment bedienen wir nur die Nachfrage und wer weiß was in Zukunft ist. Wir überlassen es einfach der nächsten Generation.“ Und schieben Sie es auch nicht auf die Landesregierung, ganz allein wir hier haben die politische Entscheidung dazu für Bad Salzschlirf in der Hand.

Was könnte das hier bedeuten?

  • Bauland muss viel mehr strategisch eingesetzt werden

  • Kompaktere Bauweise und mehrgeschossige Mehrfamilienhäuser

  • Bereits vorhandene Straßen und Infrastruktur nutzen

  • Wenn wir schon Flächen neu versiegeln, dann sollten sie ausgleichend genutzt werden durch Solar- und Gründächer, am besten noch mit Zisternensystemen

  • Keine unnötig verschwendeten Flächen durch z.B. Steingärten

  • Ver- und Entsorgungssysteme müssen voll mit betrachtet werden

  • Wichtig ist die Strategie zum Nachverdichten im Ortskern

  • Wir benötigen ein aktuelles online Baulücken- und Leerstandskataster

Die FWL setzt sich klar ein für die Schaffung des nötigen Wohnraums. Dies aber nur, wenn wir klare Bedingungen zu generationengerechtem Natur-, Klima- und Wasserschutz haben.

 

2. Sozialverträgliche Stadtentwicklung

Bad Salzschlirf war hessenweit bis vor wenigen Jahren noch die Gemeinde mit dem höchsten Altersdurchschnitt. Dies änderte sich u.a. durch gezielte Anwerbung junger Familien im Neubaubereich. Diese deutliche Zunahme im Familienbereich hatte nicht nur seinen unkalkulierten Beitrag im Kita-Bereich. Ich erinnere mich an die Aussage aus den Reihen der Zuhörer in einer Gemeindevertretersitzung mit dem ungefähren Wortlaut: „Wir sind mit billigen Bauplätzen nach Bad Salzschlirf gelockt worden. Und jetzt, wo wir da sind, gibt es nicht einmal mehr Kindergartenplätze.“

Bad Salzschlirf muss sich kontrolliert entwickeln. Was wir also brauchen ist eine ausgewogene Bewohnerstruktur, nicht nur insgesamt, sonder in jedem Viertel.

Was könnte das bedeuten?

  • Eine Mischung verschiedener Wohn- und Lebensformen

  • Es benötigt unterschiedliche Wohnungstypen und -größen

  • Unterschiedliche Finanzierungs- und Eigentumsformen

  • Integration von Alt und Jung, von Einheimischen und Zugezogenen

  • Wo sind Kontakte und Treffpunkte?

  • Kurze Wege zu Haltestellen, Einkauf, Arzt und Gemeinschaftseinrichtungen, sicher und barrierefrei

  • Nutzung unterbelegter alter Baugebiete, Junge-Familienhäuser sind auch zwischen dem alten Wohnbestand möglich und erzeugen eine Nachverdichtung

  • kein Donat-Effekt mit fehlendem Ortskern und dicken Rändern

  • Vorhandene Infrastruktur nutzen

Wir können Baugebieten zustimmen, wenn der Vorrang weiter auf der Innenentwicklung liegt. Der Druck und die Attraktivität in den Kern zu investieren muss hoch sein. Ausgewogene Neubaugebiete immer dann erst, wenn kein nennenswerter Leerstand im Ortskern mehr ist und mit einer klugen Infrastruktur verknüpft ist.

 

3. Verkehrs- & Wegeplanung

Bei der Anwerbung für das Neubaugebiet wurde beworben, dass es eine gute Verkehrsanbindung nach Fulda hat. Aber auch die gute ÖPNV-Anbindung mit stündlicher Zugverbindung nach Fulda wurde beworben. Dass wohl kaum jemand mit dem Zug nach Fulda oder Lauterbach zur Arbeit fahren wird aus dem Neubaugebiet könnte daran liegen, dass in der Vergangenheit bisher alles nur aus Sicht des motorisierten Individualverkehrs planen. Selbst die Grundschule, die Ärzte und Apotheken im Ort sind ohne Auto ungünstig erreichbar.

Wir müssen uns konkret fragen: Wie sind die Schul-, Arbeits- und Einkaufswege in Bad Salzschlirf? Lenke ich die Leute dazu im eigenen Ort zu Fuß oder mit dem Rad einzukaufen oder ist es bequemer mit dem Auto in Großenlüder einkaufen zu gehen?

Auch an diesem Punkt möchte ich auf eine Erkenntnisse des Gutachtens verweisen: Verkehrsbeziehungen der täglichen Versorgung einschl. ÖPNV und vor Allem die Erreichbarkeit des Zentrums für Kinder und Senioren dürfen sich nicht aufwändig bzw. gefährlich ergeben.

Nur ein Beispiel: Wir haben uns die Frage gestellt, ob die Spessartstr. als Stichstraße verlängert werden soll oder nicht, um der Willy-Schober-Str. Verkehr abzunehmen? Oder ob es nicht grundsätzlich viel besser wäre, einen Fuß- und Radweg über die Spessartstr. zu planen. Dies wäre für eine Großteil der Bauabschnitte die kürzeste und sicherste Strecke in den Kernort.

Bedenken Sie die Diskussionen um den Lüderberg:

  • Verkehrs- und Wegeplanung ist dringend notwendig

  • Hauptverkehr störungsarm und getrennt

  • Ansonsten verkehrsberuhigt und optimiert für Fahrräder, Grundschüler und Rentner

  • sicher und barrierefrei

  • ÖPNV auf kurzem Wege erreichbar

  • Landwirtschaftlicher Verkehr einbeziehen

  • Auch ohne Auto muss Mobilität einfach möglich sein, im Idealfalle sollte dies im Ort sogar vorteilhafter sein

Das bedeutet für uns im Umkehrschluss:

Keine Neubaugebiet ohne übergreifende Verkehrs- und Wegeplanung. Deshalb fordern wir den vorgeschlagenen Nahmobilitäts-Check.

 

Um es zum Abschluss noch einmal zu betonen:

Nehmen wir den Experten-Vorschlag ernst Siedlungsbau von hinten zu planen. Die Baugebiete werden Bad Salzschlirf länger prägen als nur für eine Generation. Die Gestaltungsregeln für unseren Siedlungsbau legen wir selbst fest, und damit auch die Zukunftgestaltung für unseren lebenswerten Ort Bad Salzschlirf.

Vielen Dank!

Die aus den oben genannten Gründen von der FWL vorgebrachten Änderungen zum Beschlussvorschlag wurden in der Sitzung einstimmig angenommen.

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